Igel

Wir möchten an dieser Stelle auf ein liebenswertes Wildtier aufmerksam machen, das bereits seit Millionen Jahren den Lebenskampf überstanden hat, dessen Existenz aber zunehmend gefährdet ist: der Igel. Diese Gefährdung liegt an verschiedenen Faktoren. Die vermehrte Landwirtschaft und die Zersiedelung unseres Landes führen dazu, dass der Igel zunehmend im menschlichen Umfeld lebt. Dort werden, ohne dass der unbedarfte Gartenbesitzer es weiß, viele schöne Pflanzen angebaut, die aber der heimischen Insektenwelt weder Nahrung noch Kinderstube bieten -also bleibt dem Igel häufig nur der Rückgriff auf Würmer und Schnecken, die aber auch die Zwischenwirte vieler seiner Innenparasiten sind. Ein stark verparasitiertes Tier wird schwach und krankheitsanfällig. Infektionen hat so ein Tier nichts mehr entgegen zu setzen. Mit latent vorhandenen Krankheiten kann ein Igel eine Weile durchaus überleben, aber er erreicht sein biologisch vorgesehenes Lebensalter, das früher mal um die 8 Jahre betrug, längst nicht mehr. Heute werden Igel maximal, noch ca. 4-5 Jahre alt und das auch nur in relativ guten Lebensräumen. In unserem Umfeld sind Igel noch vielen weiteren Gefahren ausgesetzt. Dazu zählen Verkehr, Gartenarbeit, Gartenfeuer, nicht abgedeckte Kellerschächte, schadhafte Zäune, Teiche mit steil abfallenden Rändern, Gifte in Gärten, Einsatz von elektrisch oder motorgetriebenen Gartengeräten sowie erhöhtes Haustieraufkommen – Hundebisse sind nicht selten, besonders bei Jungigeln.

Insbesondere im Herbst gibt es viele Igel, die krank, verletzt oder nicht kräftig genug sind, um den Winterschlaf zu überstehen. Diese Tiere brauchen unsere Hilfe! Meist führt der erste Weg von Findern zu einem Tierarzt. Die meisten Tierärzte sind leider in der Behandlung und Pflege von Igeln nicht ausgebildet und geben Ratschläge, die für den Igel lebensgefährlich sein können, z.B. ihn einfach wieder am Fundort auszusetzen oder sogar ihn direkt einzuschläfern. Auch im Tierheim ist es schwierig, Hilfe zu finden, weil viele Heime überlastet und daher nicht bereit sind bzw. nicht die Kapazitäten haben, sich um einen kranken Igel zu kümmern. Auch eine Igelstation ist –anders als der Name vielleicht vermuten lässt- nicht darauf ausgelegt, gefundene Igel aufzunehmen. Dort geht es vor allem darum, den Zustand des Igels einzuschätzen oder ggf. die Erstversorgung zu übernehmen. Problematisch ist zudem, dass der Begriff Igelstation nicht geschützt ist und man somit keine Garantie für sachkundige Unterstützung hat. Was also tun? Wir wollen hier ein paar Hinweise geben, wie jeder von uns etwas zum Schutz dieser Tierart beitragen kann. Es lohnt sich. 🙂

Wichtig ist zunächst einmal, dass der Igel ein Wildtier ist, das möglichst in seiner natürlichen Umgebung bleiben sollte. Einen Igel aus gut gemeinten Motiven ins Haus aufzunehmen und ihn aufzupäppeln, obwohl er gesund ist, bedeutet Quälerei für das Tier, so dass auch im Tierschutzgesetz verankert ist, dass diese zu den besonders geschützten Arten gehörenden Tiere nur in Ausnahmefällen aus der Natur entnommen werden dürfen. Daher ist es zunächst einmal entscheidend zu erkennen, ob es sich um ein krankes Tier handelt.

Einen hilfsbedürftigen Igel erkennt man an folgenden Merkmalen:

  • Igel, die am Tag umherlaufen (außer sie wurden bspw. bei der Gartenarbeit aufgeschreckt) und sich bei Annäherung kaum einrollen und nur schleppend bewegen
  • Abgemagerte Tiere, zu erkennen an eingefallenen Seitenflanken (lang und dünn)
  • Keine oder nur schwache Reaktion bei Berührung
  • Unterkühlung (der Körper fühlt sich kalt an)
  • Igel, die bei Frost oder Schnee umherirren
  • Husten, Röcheln
  • Weit aufgerissenes Mäulchen bei der Atmung, Schnappatmung
  • Zittern, unsicherer Gang, seitliches Umfallen
  • Befall von Fliegen bzw. schon vorhandenen Fliegeneiern (wie gelbliche Körner) und Maden (sehen aus wie kleine Würmer)
  • Sichtbare Verletzungen, geschwollene Beine, geschwollenes Gesicht, geschlossene Augen
  • Lähmungen (Beinchen werden nachgezogen oder Vorderbeine nicht eingesetzt)
  • Schlitzaugen oder eingetrübte Augen (normal sind runde Knopfaugen)
  • Krusten auf dem Nasenrücken (Pilz-/Milbenbefall)
  • Stereotypgang: der Igel läuft immer die gleiche Strecke, z.B. im Kreis, hin und her, in einer Achterbahn, wobei es zu Blutungen an den Fußballen, sowie zur Gewichtsabnahme kommt
  • Starker Durchfall, womöglich mit Blutbeimengung

Wenn ein vermutlich hilfsbedürftiger Igel gefunden wurde:

  • Funddatum, -uhrzeit, -gewicht und Fundstelle notieren. (Damit beginnt das „Pflegeprotokoll“, in dem weiterhin Gewichtszunahme, Tierarztbesuche, verabreichte Medikamente usw. eingetragen werden).
  • In jedem Fall so bald wie möglich Tierarzt, Igelstation oder Igelberatungsstelle aufsuchen
  • Igel rundum auf Verletzungen untersuchen.
  • Unterkühlte Igel (und verwaiste Igelbabys) vor der weiteren Behandlung wärmen. (Unterkühlung: Die Bauchseite fühlt sich deutlich kälter an, als die eigene Hand). Eine mit gut handwarmem Wasser gefüllte Wärmflasche mit einem Frotteehandtuch umwickeln, in einen passenden, hochwandigen Karton legen, den Igel darauf setzen und mit einem weiteren Handtuch zudecken. Kein Rotlicht, kein Heizkissen, diese trockene Wärme vertragen solche dehydrierten Tiere gar nicht.
  • Fliegeneier und/oder -maden, Flöhe und Zecken entfernen. Fliegeneier und -maden, die sich vor allem in der warmen Jahreszeit bevorzugt in Wunden, aber auch in sämtlichen Körperöffnungen finden, sammelt man sorgfältigst mit der Pinzette ab. Igelbabys auf keinen Fall mit chemischen Mitteln entflohen. Sie vertragen es noch nicht. Bitte kein Flohspray, schon gar kein Flohpuder für Jungigel verwenden, Flohpulver und Spot-Ons auch nicht bei älteren Igel verwenden.
  • Kotuntersuchung vorbereiten (Kot zweier Tage in einem Filmdöschen sammeln). Kotuntersuchungen geben Aufschluss über Art und Größe des Befalls mit Innenparasiten bzw. über bakterielle Infektionen. Adressen von Untersuchungsämtern nennen Tierarzt, Igelstation oder Veterinäramt. Eine Entwurmung sollte nur nach Bestimmung des Parasiten erfolgen. Nicht alle Medikamente gegen Innenparasiten sind gegen jeden Igelparasiten wirkungsvoll und für Igel verträglich. Eine sofortige „Irgendwie-Entwurmung“ ist häufig für den Igel der Todesstoß.
  • Wegen der Infektionsgefahr auch für Menschen ist Hygiene besonders wichtig. Bitte nach dem Igelkontakt gründlich die Hände mit Seife waschen (meist reicht das aus). Händedesinfektion oder Handschuhe tragen bei Igelkontakt ist dennoch empfehlenswert.
  • Geschlecht des Igels bestimmen (Männchen: Hautiger Knopf = Penisöffnung in der Mitte der hinteren Körperhälfte. Weibchen: Scheide unmittelbar vor dem After). Dies ist vor allem in den Sommermonaten wichtig, wenn säugende Muttertiere vorkommen.

Die Unterbringung sollte so sein, dass der Igel, wenn irgend möglich, mindestens 1, 5m² Raum hat. Das Gehege sollte mit Zeitungen ausgelegt sein. Einstreu ist für die kleinen Pfoten unverträglich. Katzenstreu wird ins Futter getragen, mitgefressen und im schlimmsten Fall kann ein Darmverschluss die Folge sein. Heu bedeckt den Igel, wickelt sich ggf. einschnürend um die Pfoten, wird durchs Futter getragen und damit vermengt.
Zudem brauchen Igel ein Schlafhäuschen, in das sie sich zurückziehen können (z.B. einen Schuhkarton). Der Eingang des Häuschens sollte um die 10×10 cm groß sein. Hinein kommt am Boden eine dicke Zeitungslage und geknüllte Haushaltsrolle, die es dem Igel ermöglicht sich einzukuscheln.
Kleine und kranke Igel müssen bei annähernder Zimmertemperatur untergebracht werden. Würden wir diese Tiere draußen in der Kälte unterbringen, würden sie das Fressen einstellen, ohne Fettreserve in den Winterschlaf gehen und/ oder an Unterkühlung sterben.

Gefüttert wird bei erwachsenen Igeln abends, bei kranken und ganz jungen Igeln auch morgens. Geeignetes Futter ist z. B. ein Rührei ohne Salz mit wenig Öl bereitet. Ein in Wasser und ohne Salz gekochtes Brathähnchen, dessen Fleisch man von den Knochen löst, kurz mixt und dann ein paar Haferflocken, Kleie oder gutes Igeltrockenfutter beigibt. Das kann man gut portionieren (ca. 100 – 150g pro Portion), einfrieren und aufgetaut verfüttern. Hälse und auch Flügel kann man Igeln so reichen. Bitte nicht die großen Röhrenknochen der Hühnerbeine. Geeignet ist auch Katzenfutter (bitte die Sorten immer mal wechseln). Es ist schön eiweißreich, aber zu fettarm. Darum setzen wir einige Tropfen eines guten Pflanzenöls zu. Da die Zusatzstoffe im Katzenfutter beim Igel oft zu sehr übel riechenden weichen Stühlen führen, kann man ein wenig Kleie oder Flocken beigeben als Ballaststoff. Dann wird der Stuhl schön fest und riecht nicht so aufdringlich. Geeignet ist auch in der Pfanne gestocktes, ganz frisches Tartar mit wenigen Flocken. Zum Trinken ein Schälchen mit Wasser (niemals Milch!) hinstellen.

Igel sind Individualisten – was der eine begierig frisst, verabscheut der andere. Aber das darf uns nicht dazu verführen, den Igel einseitig zu ernähren.

Zur altersgerechten Ernährung von Igelbabys siehe Merkblatt von Pro Igel e.V.: Aufzucht verwaister Igelsäuglinge (im Internet zu finden).

Wenn der Igel gesund geworden ist, keine Medikamente mehr braucht und nach der letzten Medikamentengabe eine Zeit von mindestens 8 Tagen verstrichen ist und das (Jung-)Tier das erforderliche Gewicht hat (je nach Größe ca. 600 – 1500g, erkennbar daran, dass die Flanken nicht mehr eingefallen sind), darf es in ein gesichertes Gehege in z. B. einem Gartenhaus, einer nicht benutzen Garage, einem ausreichend kalten Kellerraum oder auf einem überdachten wettersicheren Balkon in die Kälte gestellt werden.

Dazu sollte das Tier ein gut isoliertes, ausreichend großes Schlafhaus ins Gehege bekommen, das mit einer dicken Schicht Zeitung am Boden ausgelegt wird. Das Nest baut der Igel gern selbst, z. B. aus Stroh, das wir zuvor gut ausschütteln, um Staub und Spelzen daraus weitestgehend zu entfernen. Gern nimmt der Igel auch noch etwas geknüllte Haushaltsrolle oder Zeitungspapier dazu. Dieses Schlafhaus wird nicht mehr gereinigt. Die Lauffläche ist täglich zu kontrollieren und ggf. zu reinigen. Der Igel wird draußen wie im Haus gefüttert und bekommt Trinkwasser, bis er von sich auch das Futter verweigert und schlafen geht. Das kann in den ersten Tagen noch sehr unzuverlässig sein. Erst wenn das Tier mehrere Tage kein Futter angerührt hat, stellen wir nur noch eine Schale mit Katzentrockenfutter und Trinkwasser bereit, damit der Igel versorgt ist, sollte er doch noch mal aufwachen. Wenn der Winterschlaf beendet ist, füttern wir den sichtlich kleiner gewordenen Igel erst wieder auf das Gewicht, das er vor dem Schlaf hatte.

Achtung – sehr wichtig – wird oft falsch gemacht: Nicht bei den ersten Sonnenstrahlen aussetzen. Erst wenn die Temperaturen nachts + 8 ° nicht mehr unterschreiten, keine Nachtfröste mehr zu erwarten sind und die Natur ausreichend weit ist, die nachtaktiven Insekten draußen sind, weil sich der Boden erwärmt hat, entlassen wir unseren stacheligen Gast in der Abenddämmerung und möglichst am Fundort wieder in die Freiheit. Igel haben ein sehr gutes Ortsgedächtnis und wenn der Fundort geeignet ist, setzen wir ihn dort wieder in der Abenddämmerung aus. Schnell wird der Igel seine alten Futterstellen und Unterschlüpfe wieder erkennen und nutzen. Wenn der Fundort allerdings wegen stark befahrener Straße oder z. B. Baustelle zu gefährlich, unsicher oder völlig ungeeignet ist, wird der Igel an anderer geeigneter Stelle ausgewildert. Igel, die nicht am Fundort ausgewildert werden können, haben es etwas schwerer. Handaufzuchten müssen erst einmal in einem Freigehege für die Freiheit trainiert werden.

Weitere gute Informationen finden sich auf: www.pro-igel.de
Entsprechende Broschüren von Pro-Igel können gerne gegen eine Schutzgebühr beim Nestwerk bestellt werden. Bitte schickt in diesem Fall eine E-Mail an die Adresse info(at)nestwerk-ms.de

Von Vera Hegenberg